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Auch die Horizontalübung zur Verbesserung der Schulterkoordination habe ich von Hajo Friederich übernommen. Diese Übung fällt den Meisten etwas schwerer als die Vertikalübung. Die Horizontalübung sollte von Kletternden genauso mit schlafwandlerischer Leichtigkeit korrekt ausgeführt werden können, wie die etwas leichtere Vertikalübung.
Okt. 20
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Okt. 20
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Vor einer Woche veröffentlichte ich auf diesem Blog den Bericht zu Omar Al-Shogre (II). Der Beitrag wurde in den letzten Tagen täglich von bis zu 700 Besuchern angeclickt. Scheinbar hat mein Bericht zu Omar Al-Shogre viele die mich kennen interessiert. Für den Fall, dass auch Interesse an Hintergrundwissen zu Syrien besteht habe ich einen sehr guten Tip. Vor kurzem wurde auf Arte ein hervorragender Bericht „Blackbox Syrien -der schmutzige Krieg“ veröffentlicht.
Es gibt keine besser Dokumentation, die die Vorgänge im Syrien der letzten 20 Jahre, in 1,5 Stunden umfassend, verständlich UND KORREKT wiedergibt. Prädikat: absolut sehenswert!
https://youtu.be/WR-5EAmuXx0
Alle 6 Monate findet eine Konferenz der deutschen Innenminister statt, auf der darüber entschieden wird, ob syrische Flüchtlinge nach Syrien abgeschoben werden dürfen. Der nächste Termin ist der 6. Dezember 2020. Wie aus dem ARTE-Film zu ersehen ist, ist in Syrien niemand sicher. Eine Abschiebung nach Syrien, wird von keinem demokratischen Land der Welt (offen) durchgeführt. Auf Open-Petition liegt eine Unterschriftenliste von SyriaNotSafe aus, mit der an die Innenminister appelliert wird, nicht nach Syrien abzuschieben. Die Liste wird an die Innenministerkonferenz übergeben.
Hier geht es zur Unterschriftenliste…
Im Juli diesen Jahres habe ich eine Neutour nach Omar Alshogre benannt. Omar Alshogre ist ein junger Mann, der Unfassbares überstanden und Unfassbares geleistet hat. Wie der Phönix aus der Asche hat er sich von seinem Totenbett erhoben, um Licht ins Dunkle zu bringen. Die Geschichte von Omar Alshogre ist nicht schön, sie wird dich nicht erfreuen. Sie richtet nicht auf, sie gibt keine Perspektive. Aber vielleicht steht diese Geschichte doch für ein kleines Licht der Hoffnung?
Omar Alshogre hat allen Grund sich zu freuen!
Omar Alshogre zu Besuch im amerikanischen Verteidigungsministerium
In den folgenden Abschnitten wird schwerste körperliche und psychische Gewalt in Zusammenhang mit Folter beschrieben
Omar wurde 1995 in der Kleinstadt Bayda am Ufer des Mittelmeeres, ungefähr eine Flugstunde von Kalymnos entfernt, geboren. 2011 brachen Proteste gegen die Assad-Diktatur in Omar’s Heimat Syrien aus. Millionen Menschen gingen auf die Straße und protestierten friedlich gegen Vetternwirtschaft, Korruption und Unterdrückung, demonstrierten für Freiheit und Demokratie. Auch der verschlafene 5000-Seelen-Ort Bayda, in dem Omar aufwuchs, schloss sich dem Aufstand an. Von Anfang reagierte der syrische Diktator Assad mit brutaler Gewalt. Im folgenden Video wird ein getöteter Demonstrant als Märtyrer durch die Straßen von Bayda getragen. Er war auf einer der allerersten Demonstrationen, die am Tag zuvor in Bayda stattfand, ermordet worden.
Aber die Bewohner von Bayda liessen sich nicht beirren. Seit 40 Jahren litten sie unter der Diktatur. Sie wollten endlich frei sein. Gerade die Jugendlichen kannten normale Verhältnisse (wie bei uns) nur aus dem Fernsehen. In ihrer Heimat Syrien herrschte Willkür und Mißwirtschaft. Und so löste in Bayda eine Demonstration die nächste ab. Bereits kurz nach den ersten Demonstrationen in Bayda überfielen die Schergen des Assad Regimes den Ort.
https://twitter.com/M_Alneser/status/1465756432171679753
Auch Omar nahm an zahlreichen Protesten teil, so wie fast alle Jugendlichen in Bayda. Omar sagt heute: „Ich war mit 15 Jahren eigentlich unpolitisch, wollte eigentlich nur endlich frei sein.“ Die Revolution wurde von Anfang an von fast allen Bevölkerungsgruppen Syriens unterstützt. Im folgenden Video erklärt der christliche Geistliche von Bayda seine Unterstützung für Forderungen der Demonstranten.
Jugendliche Demonstranten blockieren einen Panzer bei Ausbruch der syrischen Revolution im Frühjahr 2011 direkt bei dem Heimatort von Omar Alshogre.
Nur wenige Tage nach Ausbruch der Syrischen Revolution 2011, erklärt ein syrischer Demonstrant in Banyas, dem Ort in dem Omar Al Shogre zur Schule ging, die Motive der Revolution auf Englisch. „Wir wollen Freiheit und Gerechtigkeit. Wir sind Christen, Muslime, Alawiten, Drusen – wir sind alle Syrer.“
Eine der vielen Schülerdemos in Banyas. Die Schüler skandieren: „Das Volk! Es will! Den Sturz der Diktatur!“
Bereits im ersten Jahr der syrischen Revolution, wurde Omar von der Geheimpolizei des Regimes mehrmals verhaftet. In den geheimen Verhörzentren wurde Omar regelmäßig zusammengeschlagen. Er wurde jedoch, im Gegensatz zu anderen, immer wieder frei gelassen, denn sein Vater war ein verdienter Soldat der Armee. Wie die allermeisten Syrer dachte Omar trotz der Repressionen nicht daran, sich zu unterwerfen. Er protestierte weiter friedlich und öffentlich gegen die Brutalitäten und Ungerechtigkeiten des Regimes. Im folgenden Video beschreibt er das Gefühl, das er damals hatte:
The need for freedom.#Syria pic.twitter.com/59NCn71PLE
— Omar Alshogre | عمر الشغري (@omarAlshogre) September 25, 2020
Bis 2012 wurde Omar bereits 7 Mal festgenommen und anschliessend mißhandelt. Im selben Jahr verschleppten ihn seine Häscher in ein berüchtigtes Folterzentrum, die „Abteilung 215″, die sich in der Hauptstadt Damaskus befindet. Der 16 jährige Omar wurde dort wiederholt mit Elektroschocks gefoltert und mit Metallstangen und Kabeln schwer verletzt. Ihm wurden die Fingernägel ausgerissen. Omar war mit drei Cousins und 65 weiteren Demonstranten ein Jahr lang in einer winzigen Zelle eingepfercht. Sie alle wurden dort regelmäßig gefoltert.
Die Abteilung 215 ist eine von 100ten von Folterzentren, die über ganz Syrien verstreut vom Regime Assads betrieben werden. Branch 215 befindet sich im Zentrum der syrischen Hauptstadt Damaskus und ist sogar auf Google zu finden.
Ein Militärfotograf (Caesar) hat Fotos von tausenden Leichen von zu Tode Gefolterten aus Syrien herausgeschmuggelt. Jede Leiche hatte eine Nummer mit Edding auf die Stirn geschrieben.
Bisweilen wurde Omar gezwungen, seinen Cousin Rashad selbst zu foltern. Familienangehörige zu zwingen, sich gegenseitig zu foltern oder auch zu vergewaltigen ist eine in den syrischen Folterzentren oft angewandte Methode, die in einzelnen Fällen sogar auf Video dokumentiert ist. 2013 starb Rashad nach der Folter. Omar mußte für die Gefängnisverwaltung die Toten auf der Stirn numerieren. Omars zweiter und liebster Cousin Bashir starb im Jahr darauf an den Folgen der Folter und einer Tuberkulose-Infektion. Auch er wurde von Omar numeriert. Diese „Dokumentationsmethodik“ stammt von ehemaligen SS-Männern, die sich nach dem zweiten Weltkrieg von Deutschland zuerst nach Ägypten und dann nach Syrien abgesetzt und dort in den Folgejahren die syrischen Geheimdienste und deren Foltersystem mit aufgebaut hatten. Im Folgenden ein Video von Omar Alshogre, in dem er beschreibt, was er in der Abteilung 215 erleben musste.
2014, körperlich und seelisch bereits schwerst verletzt, wurde Omar nach Sednaya, das berüchtigste Folterzentrum Syriens, verlegt. Sednaya hat lt. der Menschenrechtsorganisationen Amnesty International und Human Rights Watch nur einen einzigen Sinn: die Insassen gezielt zu Tode zu foltern. Viele sterben bereits nach wenigen Tagen oder Wochen, die wenigsten überleben länger als ein paar Monate. Kaum jemand ist überhaupt wieder lebend aus Sednaya herausgekommen. Lt. dem amerikanischen Geheimdienst CIA besteht der Verdacht, dass in Sednaya jede Woche 50 Insassen gezielt ermordet und danach in einem Krematorium auf dem Gefängnisgelände verbrannt werden. Regelmäßíg brechen in anderen syrischen Gefängnissen Aufstände aus, wenn Gefangene nach Sednaya verlegt werden sollen, denn das ist gleichbedeutend mit einem fast sicheren Todesurteil. Omar sagt, im Vergleich zu Sednaya sei die Abteilung 2015 der Himmel gewesen. Im folgenden Video berichtet Omar von seinem Martyrium in Sednaya und wie er dort wieder herauskam.
In Sednaya erreicht die Vernichtungsmaschinerie des syrischen Regimes ihre grausamste Ausprägung. Sie wird sowohl von der israelischen Holocaust -Gedenkstätte Jad Vashem als auch dem New Yorker Holocaust Museum als syrischer Holocaust bezeichnet. In Syrien ist allen bekannt, was in Sednaya passiert. Omars Mutter hatte zum Glück mitlerweile durch Bestechung der Geheimpolizei herausgefunden, dass Omar in Sednaya und noch am Leben war. Sie sammelte 20.000 Dollar, um ihn freizukaufen. Nach einer Scheinhinrichtung am Stadtrand von Sednaya, bei der er bewusstlos zusammenbrach, ließen ihn seine Folterknechte einfach auf der Straße liegen. Als Omar gefunden wurde, war er mit Tuberkulose infiziert, konnte nicht mehr klar reden und wog nur noch 34 kg. Er konnte sich kaum noch selbst fortbewegen und litt unter Amnesie. Als er nach Tagen identifiziert wurde, wurde er in die Türkei zu seiner inzwischen geflohenen Mutter gebracht. Er war vollkommen apathisch und erkannte seine Mutter nicht mehr. Omar hatte nur ganz knapp überlebt.
Omar als 14 Jähriger vor seiner Verschleppung und als 18 Jähriger nach seiner Freilassung.
Bereit im Gefängnis hatte er gehört, dass in Bayda ein Massaker stattgefunden hatte. Nach seiner Freilassung erfuhr er die Details. 2013 hatten die sogenannte Shabiha im Auftrag des Assad-Regimes sein Heimatdorf Bayda überfallen und mindestens 75 Einwohner grausam niedergemetzelt. Der Vater von Omar, sein ein Jahr jüngerer Bruder und sein älterer Bruder wurden vor den Augen von Omar’s Mutter ermordet. Auch einige seiner besten Jugendfreunde wurden abgeschlachtet. Das Massaker von Bayda ist nur eines von vielen, die in dieser Zeit stattfanden. Häufig wurden die Szenen auf Video aufgenommen, die danach den Angehörigen zugespielt wurden. Omar Alshogre hat ein Video, das die Ermordung seiner Familienangehörigen dokumentiert.
Der folgende Film zeigt Bilder von verstümmelten Leichen
Im Herbst 2015 griff das russische Kreml-Regime die Regionen und Städte Syriens, die weiter Widerstand gegen Assad leisteten, mit Kriegsflugzeugen an. 1,5 Millionen Syrer (darunter auch Omar) emigrierten daraufhin in die EU, davon knapp 800.000 nach Deutschland. Omar war jemand, der mit viel Glück den Horror in Syrien überlebt hatte, einer von 12 Millionen Syrern, die vor dem Terrorregime Assads geflüchtet sind. Psychologen und Mediziner von NGO’s schätzen, dass praktisch jede syrische Familie traumatisiert ist. Omar bekam in Schweden Asyl. Er ist einer der wenigen Menschen, die in den letzten 10 Jahren Sednaya überlebt haben.
Nachdem er wieder zu Kräften gekommen war, lernte er in kürzester Zeit Englisch und Schwedisch. Er begann, über die Verbrechen des syrischen Regimes aufzuklären. Fast wöchentlich erzählte er, was ihm widerfahren war. Ein Jahr nach seiner Flucht trat Omar in Amerika und Europa in Schulen, Clubs, auf Versammlungen, in Universitäten, auf Kongressen, Demonstrationen, vor Ermittlungsbehörden, vor NGO’s, im Fernsehen und im Radio auf. Mittlerweile tritt Omar auch vor einflussreichen internationalen Politikern auf.
Er nahm als Zeuge an einer Anhörung im US-amerikanischen Senat teil. Er trat vor den Ermittlern des Internationalen Strafgerichtshofs in Den Haag auf. Er kann inzwischen perfekte Spontaninterviews in englisch, schwedisch und arabisch geben und wird nicht müde, über die Verbrechen des Regimes in Syrien zu berichten. Er redet mit den Händen, mit ausdrucksstarker Mimik, so dass man seinen Erzählungen gebannt folgt. Er wirkt ruhig und gefasst, strahlt auch häufig Freude und Zufriedenheit aus. Seine Scheinhinrichtung sollte ihm eine letzte Warnung sein, bloß den Mund zu halten. Er macht bewußt das Gegenteil. Omar, der sympathische junge Mann aus Bayda, bietet dem Schlächter Assad die Stirn.
Omar hat die Worte Hass und Rache aus seinem Wortschatz gestrichen. Er sagt: „Meine Rache ist es, die Menschenrechte gegen das Regime in Syrien durchzusetzen und damit die Rache selbst zu besiegen.“ Ständig reflektiert er während seiner Aufklärungsarbeit über seine inneren Gedanken. Er will Gerechtigkeit für die Opfer des Assad-Regimes. Er will die Schergen des Geheimdienststaates Syrien vor ordentliche Gerichte bringen. Er will, dass die Mörder in fairen Prozessen verurteilt werden. Er hat eine bewundernswerte Entwicklung vollzogen – wie ein Phönix aus der Asche.
https://youtu.be/xBVvmz4L9wU
Im Frühjahr 2020 wird Anwar R., der Leiter der berüchtigten Abteilung 215, in der Omar 21 Monate seines Martyriums verbrachte, als erster Vertreter des Folterregimes wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit angeklagt (Oberlandesgericht Koblenz in Deutschland). Omar Al-Shogre ist einer von etwa 100 Zeugen der Anklage. Zwei Dutzend weitere Folteropfer der Abteilung 215 treten in diesem Prozess als Zeugen auf. Medien aus der gesamten Welt verfolgen diesen ersten Musterprozess höchst aufmerksam und berichten ausführlich darüber. Inzwischen haben die Niederlande erklärt, dass sie den Kopf des Folterregimes, Präsident Assad, persönlich vor dem Internationalen Gerichtshof in Den Haag anklagen wollen. Frankreich ermittelt dazu ebenfalls. Omar Al-Shogre hat einen der bedeutendsten Beiträge dazu geleistet, dass selbst die Führung des Assad-Regimes vor Ermittlungen nicht mehr sicher ist.
Der mythische Vogel Phönix steigt aus der Asche auf (Darstellung 12. Jahrhundert n. Chr.)
Omar hat allen Grund zu strahlen – er ist der Phönix aus der Asche!
Good news (11/20): Omar was officially admitted to Georgetown University. Here you can see his luck:
The energy of Phoenix:
15th march 2021 Al Jazeera reported about Omar Alshogre:
https://www.aljazeera.com/features/2021/3/15/we-survived-assad-prisons-will-rebuild-syria
Omar gets support for the Syrian detainees by the King of Sweden:
Omar speaking at the UN Security Council:
Okt. 20
12
Der Name der Route in lateinischer und arabischer Schrift
Im Sommer habe ich an einer aussergewöhnlichen Kletterroute gearbeitet. Die abschüssige, schwer kontrollierbare Platte ist mit schmerzhaften Microleisten durchsetzt und zeichnet sich durch anhaltende, unerbittlich anstrengende und crazy Züge aus. Plattenklettern war nie meine Stärke. Als „Old-school-Kletterer“ bin ich zwar auf Platten und in Rissen groß geworden, aber mir liegen eher athletische Moves im überhängenden Gelände. Umso mehr hat mich die abweisende Linie an dem kompakten, glatten Edelfels, an dem ich in diesem Jahr mehrere Routen erschlossen habe, herausgefordert. Dieses Stück herrlichster Fels erfordert ein hohes Merkvermögen. Die Bewegungen und Positionen können nur dann erfolgreich kombiniert werden, wenn alles 100% passt. Ab dem allerersten Zug ist deshalb durchgehend Konzentration, Präzision und voller Einsatz gefordert. Bei mehreren erfolglosen Versuchen war ich immer an der Schlüsselstelle in Wandmitte abgeplatzt. Mein Bewegungsplan war nie perfekt. Ende Juli startete ich endlich mit einem detaillierten Plan für absolut jede Tritt- und Griffabfolge. Vom ersten bis zum letzten Zug war mir klar, was zu tun ist.
Omar Alshogre – Phönix aus der Asche.
Mit jedem Meter, den ich höher komme, saugt mich die Route aus. Schwer atmend und deutlich angepumpt erreiche ich die Crux in Wandmitte. Eine komplexe Passage mit fiesen Seituntergriffzangen und rutschigen Trittchen erwartet mich. Roboterartig, ohne irgendeinen Gedanken an Erfolg oder Mißerfolg zu verschwenden, rette ich mich gerade noch so durch die Schlüsselstelle. Jetzt bin ich kraftmäßig schon ziemlich am Ende. Ob ich noch genug Reserven habe, um die Tour zu schaffen? Die folgenden ungewöhnlichen und instabilen Einzelzüge sind weiterhin sehr anstrengend. Als ich den rechten Fuss zu früh auf eine schmierige Delle heppe, manövriere ich mich in eine Sackgasse. Ich kann mich weder vor- noch zurückbewegen. Ich bin wie festgenagelt. Kurzzeitig kommt Panik auf. Da dringt von unten aufmunterndes Brüllen an mein Ohr: „Auf geht’s Nils, das geht, mach es!“ Irgendwie werden die Laute an meine Großhirnrinde weitergeleitet, welche wiederum mein limbisches System beauftragt: Kampfwillen einschalten! Aus der Körpermitte heraus kann ich einen Impuls setzen und mich befreien. Mit zitternden Knien rette ich mich in die Ruhestelle im oberen Drittel. Ganze 10 Minuten stehe ich verspreizt in der Schüttelposition, um Atemfrequenz und Tonus herunterzupegeln. Den krönenden Abschluss der krassen Platte bildet ein abgefahrener Boulder, die 2. Crux: ein Aufsteher, der fast ausschließlich mit dem linken Bein auszuführen ist. Ich konnte diese Bewegung bisher nur einmal und nur aus dem Hängen klettern. Eine höchst prekäre Situation. Gerade deshalb starte ich mit voller Entschlossenheit in das Finale. Morituri te salutant. Ich weiß nicht mehr, wie ich die Stelle bewältigt habe. Ich erinnere mich, dass ich in der Crux einen Schrei ausstieß, und wie ich plötzlich am Schlussgriff hänge und das Seil in den Umlenker clippe – geschafft! Ich jubele und jauchze. Nach dem Gefühl völliger Ermattung, dem ich noch kurz zuvor beinahe erlegen wäre, fühle ich mich jetzt fast wie „Phönix aus der Asche“. Meine erste 8a auf einer Platte! Ich kann es kaum fassen. Ich habe die Route nach Omar Alshogre benannt, einem jungen Mann, der Unfassbares überstanden und Unfassbares geleistet hat – wie der mystische Vogel Phönix hat er sich aus der Asche erhoben. Aber das ist eine andere Geschichte …
Der Einstieg der Omar Alshogre. Vom ersten Zug an muss mit vollem Einsatz geklettert werden.
Am Beginn der Crux – jeder kleinste Fehler bedeutet das Ende
Schlüsselstelle geschafft, aber wie weiter?
Völlig ausgepumpt in den komplexen Zügen des oberen Drittels der Platte
.
Die 2. Crux kurz vor dem Umlenker, mit dem Aufrichter, der mir alles abverlangt hat
Hier geht’s weiter mit dem Sebaldstein.
Sandra Hopfensitz auf der Bayerischen Jugendeisterschaft Lead 2019 im DAV-Landesleistungszentrum Augsburg; Foto: Bergsportfachverband Bayern
Am Wochenende findet der zweite große bayerische Kletterwettkampf in Pandemiezeiten statt, die bayerische Jugendmeisterschaft Lead im DAV-Landesleistungszentrum Augsburg. Am Samstag 12.9. starten Jugend D und C am Sonntag 13.9. folgen Jugend B und A. Die gesamte Veranstaltung wird im Livestream übertragen, in dem ich zwischenzeitlich (am Sonntag) auch zu sehen sein werde. Am Samstag arbeite ich ersatzweise im Schiedsrichterteam mit. Hier der Link zum Livestream.
Aug. 20
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Alisa entert eine 6b+ im Flash; Foto: Pema Sherpa
Während Neonazis, Verschwörungstheoretiker und sonstige Durchgeknallte gegen die „Mund-Nasen-Schutzdiktatur“ auf den Straßen herumkaifen, bin ich mit „meinem“ Leistungskader 3 des Kletterteams München & Oberland und meinen Trainerkolleginnen Pema Sherpa und Susi Metzner ins Trainingslager gefahren.
Auf Sightseeing in Gößweinsstein; Foto: Pema Sherpa
Es waren 5 ganz tolle Trainingslagertage. Mit den jungen Supertalenten (9 bis 11 Jahre) war es die reine Freude den Spaß am Fels zu geniessen.
Pema & Team; Foto: Pema Sherpa
Umbauen will geübt sein; Foto: Pema Sherpa
Aug. 20
4
Test der Wettkampfroute für Jugendliche (UIAA 9) im DAV Kletterzentrum Hamburg
Im Februar leitete ich einen Trainer C Sportkletter Lehrgang 2 in Hamburg zusammen mit Nils Kremeskötter. Sehr gerne erinnere ich mich neben der hervorragenden Zusammenarbeit mit Nils an die lässig-tolerante Art der Hamburger. Ganz besonders habe ich mich über die Bekanntschaft mit Peter, dem Archivar des DAV Hamburg gefreut. Schnell kamen wir ins Gespräch, haben wir doch beide eine umfangreiche Alpinvita aufzuweisen. Peter, noch einmal 20 Jahre älter als ich, ist in seinen Anfangsjahren sogar noch mit Hanfseil ins Gebirge gestartet. Zum Abschied übergab mir Peter zum Kursende ein ganz besonderes Juwel als Erinnerungsgeschenk: Den Pause-Klassiker „Im extremen Fels“ – Vielen Dank Peter!
DER Klassiker der alpinen Felsbildbände
Beim Schrauben im Hamburger DAV-Kletterzentrum
Im Juli hatte ich dann einen Schrauberauftrag in der DAV Kletterhalle Hamburg. Dieses Mal arbeitete ich hauptsächlich (und sehr entspannt) mit den beiden bekannten Hamburger Schraubern Reza Sodani und Carsten Roskam zusammen. Mit insgesamt 10 Routen von 5 bis 9+ konnte ich mich u.a. an der steilsten und größten Wand in Hamburg verwirklichen. Der DAV Hamburg hat ein kleines Video dazu von mir auf Facebook veröffentlicht.
Auch dieser Aufenthalt in der Hansestad hat mir wieder viel Freude bereitet und … meine Sympathie für das Venedig an der Elbe ist weiterhin ungebrochen.
„Abo“ (أبو) heißt auf Arabisch „Vater“, oder auch „der mit …“. „Abo TOW ist „der mit den TOW-Raketen“. Wie wurde aus dem jungen Mann Suhail schließlich Abo TOW? Und was hat das mit meiner neuesten Erstbegehungen zu tun ?
Abo TOW
Wie alle jungen, syrischen Männer mußte der in dem kleinen Dorf Abadeta geborene Suhail einen mehrjährigen Armeedienst ableisten. Wehrdienstverweigerung hat in Assads Syrien die Hinrichtung zur Folge (außer man hat reiche Angehörige). Als 2011 die Revolution gegen das Assadregime ausbrach, war Suhail 21 und war als Panzerabwehrspezialist ausgebildet. Er war ein hervorragender Schütze und beherrschte die Panzerabwehrrakete Malyutka ausgezeichnet. Als Assad täglich dutzende friedliche Demonstranten in ganz Syrien auf offener Straße mit Scharfschützen, Panzern, Raketen und zuletzt im März 2012 in Homs mit Artillerie ermorden ließ, desertierte Suhail. Er war nicht der Einzige – etwa 100.000 weitere Deserteure und wenige Dutzend Frauen bildeten lokale Widerstandseinheiten. Suhail war einer der erfolgreichsten Panzerabwehrschützen. Mithilfe des Panzerabwehrraketensystems TOW schaltete er über 100 Panzer (3% aller syrischen Panzer), ein halbes Dutzend Flugzeuge und etliche Hubschrauber des verhassten Assadregimes aus. Die dankbaren Syrer verliehen ihm deswegen den Spitznamen „Abo TOW“.
Zwei von Abo TOW unschädlich gemachte Kriegsflugzeuge auf dem internationalen Flughafen von Aleppo. Die Millionenstadt Aleppo, die älteste bewohnte Stadt der Welt, wurde von Assad jahrelang mit Fassbomben, Raketen und Giftgasaus der Luft angegriffen und zur Hälfte zerstört.
Abo TOW kann nicht nur Panzer anzünden. Abo TOW rauchend vor einem islamischen Rauchverbotsschild demonstrativ eine Zigarette. Dieses Foto brachte ihn nach Assads Mordlisten auch auf die Mordlisten der Djihadisten.
Abo TOW protestiert vor einem Djihadistenverbotsschild für Meinungsfreiheit mit einem Klebeband vor dem Mund
Abo TOW ist aber kein Rambo. Verehrt in weiten Kreisen der syrischen Bevölkerung, stellte er sich einmal vor ein Verbotsschild der Djihadisten mit der Aufschrift: „Rauchen ist haram“ (haram = Gotteslästerung) und … zündete sich demonstrativ eine Zigarette an. Das Foto davon verbreitete sich im Internet, woraufhin er Todesdrohungen, nicht nur wie bisher von Assad, sondern nun auch von Seiten der islamischen Djihadisten bekam. Rauchen ist zwar ungesund – aber diese eine Zigarette würde ich nie verurteilen, ganz im Gegenteil! Freitags nahm er, anstatt zum Gebet in die Moschee zu gehen, oft an Demonstrationen gegen religiösen Wahn und gegen das kriminelle Assadregime teil.
Abo TOW auf einer seiner unzähligen Freitags-Protestdemonstrationen gegen Assad und andere Mafiosi.
Einmal wurde er von Djihadisten entführt mußte aber nach Protest der syrischen Bevölkerung wieder freigelassen werden. Ein andermal scheiterte ein Entführungsversuch während einer Demonstration, weil die Demonstranten Abo TOW
verteidigten. Mit einem Durchschuss im Bein entkam er seinen Häschern.
Abo TOW steht damit ganz in der Tradition der syrischen Revolution, die von Anfang an „Einheit in der Vielfalt“ vertrat und demnächst in ihr 10. Jahr geht. Insgesamt drei Mordanschläge hat Abo TOW bisher (zum Teil schwer verletzt, zuletzt im März dieses Jahres) überlebt. Jedesmal erklärte Abo TOW noch auf dem Krankenbett kurz nach den Attacken, dass er so schnell als möglich zurück in den Kampf für die syrische Revolution und gegen das Mafiaregime Assad’s möchte. Seit heute 3.8.2020 läuft eine Offensive Assads mit Unterstützung russischer Kriegsflugzeuge gegen sein Heimatdorf, die sich Abadeta bereits bis auf 5 km genähert hat. Abo TOW wird wieder seine Fähigkeiten als Panzerabwehr-Spezialist zum Einsatz bringen müssen.
Der junge Mann ist für mich ein Vorbild. Unerschrocken und entschlossen verteidigt er seine Familie, seine Heimat und die Freiheit. Das sind Werte, die mir besonders wichtig sind. Abo TOW setzt seine besonderen Fähigkeiten dabei höchst erfolgreich ein. Der Einsatz der TOW verlangt Systematik bei der Vorbereitung, Disziplin, Konzentration und hohe Präzision.
Im Moment erschließe ich einen Felsen im bayerischen Voralpenraum. Er lag bisher in einer Art Dornröschenschlaf und wird hoffentlich bald zu einem neuen, erstklassige Klettersektor im Münchner Einzugsgebiet. Während wir hier im freien Europa entspannt und glücklich (trotz Pandemie) unseren Bedürfnissen entsprechend leben können, sind schon kurz jenseits Europas Grenzen Menschen gezwungen, um ihr Leben zu kämpfen. Um daran zu erinnern, dass unsere Privilegien keine Selbstverständlichkeit sind, sondern anderswo erkämpft werden müssen, habe ich beschlossen, einige Neutouren an diesem Fels der syrischen Revolution zu widmen:
Die ca. 60 m hohe Nordostwand des „Edelfels“. Auf dem Foto ist der obere, schwere Teil der Abo TOW eingezeichnet. Direkt rechts daneben befinden sich weitere Projekte, die alle in hervorragend kompakten Platten verlaufen. Der rechts unten im Bild zu erkennende Mensch, kann zum Größenvergleich dienen.
Mit Tom Schlager, einem der aktivsten Erschliesser im bayer. Voralpenraum (Stichwort Taubenstein, Krettenburg) war ich neulich am Edelfels unterwegs. Eigentlich wollte ich ein bereits eingebohrtes Projekt durchsteigen, aber dann entdeckten wir links oberhalb eine superschöne, graue, wasserzerfressene Platte. „Da geht noch was“, meinten wir beide übereinstimmend. Aber die anvisierte Verbindungsvariante zwischen zwei Routen entpuppte sich als nicht wirklich lohnend. Beim Ablassen inspizierte Tom dann eine mögliche Verlängerung einer anderen Route. Diese startet ebenfalls über eine wasserzerfressene Platte, um dann nach ca. 15 m an einem kleinen Dach vorbei leicht überhängend auf die Platte im oberen Wandbereich zu leiten. „Die Crux ist möglich“, meinte Tom und setzte zwei „Erkundungshaken“. Ich checkte anschließend die komplexen Züge und konnte die maximalkräftige Crux entschlüsseln. Noch 10 Haken gebohrt, und am selben Tag gelang mir unter Einsatz aller Kräfte kurz vor Sonnenuntergang die Erstbegehung. Die Hakenanordnung erfordert systematische Vorbereitung. Eine wasserzerfressene 15-m-Platte leitet trickreich zu der überhängenden, maximalkräftigen Einzelstelle (9/9+), die Präzision und höchste Konzentration fordert. Danach folgen weitere 15 glatte Plattenmeter, die mit Disziplin und Ruhe geklettert werden wollen.
Ich habe diese Route deshalb zu Ehren von Suhail Muhammad Hamoud „Abo TOW“ genannt. Möge er noch viele glückliche Jahre leben und seine Heimat von Assad und den Djihadisten befreien!
ERGÄNZUNG: am 9.10.2020 erhielt die Abo TOW durch Andi Faessler ihre erste Wiederholung. Andi fand eine leichtere Lösung für die Crux, die mir leider nicht gelingen wollte und wertete die Abo TOW auf 9- ab.
2. Ergänzung: Interview (in Englisch) mit Abo TOW am 25.12.2021…
In diesem Bericht stelle ich den „Edelfels“ erstmals vor…
Hier stelle ich eine weitere Neutour am selben Fels, die „Omar Alshogre“, vor…
Erschliessungsarbeiten am Edelfels.
Juni 20
17
So schaut Edelfels aus
Kann sein, dass in Folge der Pandemie
Wir werden sehen, ob das Äussern dieser Vorhersagen Berechtigung hat. Vielleicht habe ich sogar einen kleinen Beitrag in diesem Zusammenhang geleistet? Mein Einsatz am heimischen Fels hatte jedoch vorrangig mit dem Erschliessen (und dem anschliessenden Klettern) von Neutouren zu tun. So habe ich zwar nicht dazu beigetragen, dass neues Leben unseren Planeten bereichert, aber zumindest neue Kletterrouten das Licht der Welt erblicken und damit mehr am heimischen Fels geklettert wird.
Der Erschliesser in Aktion – ein Suchbild
Aktuell bohre ich an einem rel. unbekannten, kompakten „Edelfels“, der von Kennern (und Könnern) aus meiner Sicht bisher sträflich vernachlässigt wurde. „Zu weit, zu schwer, zu kalt“, so lauteten die (Vor-) Urteile. Aber auch da werden wir sehen, ob diese Aussagen eine Berechtigung haben.
Weiterer Bericht zum „Edelfels„.
Der selbe Edelfels im Winter; Foto: Familie Fischer
Enzian, der seine Nische im kompakten Fels gefunden hat
Zwei Generationen am selben Stahlkarabiner: alte Rostgurken aus den 1960er Jahren, ein Hinterschnittbohrhaken (ein echter Edelhaken) aus den 1990er Jahren.
Die Alpen im Licht eines Sonnenuntergangs