Kopftörlgrat

35 Jahre zuvor hatte ich mich auf Longlines spezialisiert. Einige Dutzend zumeist bekannte Klassiker hatte ich damals bewältigt. Darunter waren auch vergleichsweise leichte aber zumeist besonders lange Routen, die ich seitdem als „abgehakt“ aufzählen darf. Darunter z.B. Blassengrat ungesichert im Winter, der Jubiläumsgrat (auch im Winter), die Hochwanner Nordwand solo, die Watzmann Ostwand (Schweizer Var.) und die Schneelochumrahmung im Wilden Kaiser. Eine der bekanntesten Routen dieser Art fehlte mir jedoch in meiner Sammlung: der fast schon berühmte Kopftörlgrat. Einen Winterversuch hatte ich auf Grund der Bedingungen vor 20 Jahren abgebrochen.

der Kopftörlgrat im Morgenlicht
Links der Bildmitte der wild gezackte Kopftörlgrat, die auffällige Scharte links ist das Kopftörl (Foto von der Pyramidenspitze, Zahmer Kaiser aus)

Gestern war es dann endlich soweit. Ein fantastischer Spätherbsttag wartete mit Temperaturen bis 15 Grad auf 2000m auf und so starteten wir eine Stunde nach Sonnenaufgang ganz alleine an der Kopftörlscharte. Dies ist deshalb besonders bemerkenswert, weil sich an Schönwettertagen im Sommer meist ein Bandwurm an Seilschaften durch die über einen Kilometer lange Kletterei zieht. Stau und Platzkämpfe rauben desalb einiges an Freude über einen der schönsten Grate der Nordostalpen.

Am Zustieg, kurz vor dem Kopftörl

Die Routenführung ist teilweise nicht offensichtlich. Wir hatten uns jedoch logistisch und taktisch bestens vorbereitet und kletterten deshalb ohne großes Suchen entlang der ausgesetzten Türme des Kopftörlgrates.

Eindrucksvolle Tiefblicke wechselten sich mit herrlichen Panoramen vom Watzmann über die Zentralalpenkette ab. Am Nachmittag erreichten wir dann den verwaisten Gipfel des höchsten Berges des Wilden Kaisers, die Elmauer Halt. Ich muss zugeben, dass ich bei aller Schönheit der Gratkletterei, wegen meiner mangelnden Alpinkondition ziemlich fertig war.

Nils in der Schlüsselstelle kurz unterhalb des Gipfels der Elmauer Halt

Ein einmaliger 360° Rundumblick vom besagten Zentralalpenkamm über Zugspitze, dem Südrand der bayerischen Landeshauptrstadt, dem Chiemsee und den Berchtesgadener Alpen belohnte unsere Mühen und so ließen wir es uns auf dem Gipfel eine ganze Weile gut gehen. Es folgten noch drei anstrengende Abstiegsstunden, die wir zumeist im Dunkeln zurücklegten. Schach matt aber glücklich erreichten wir am Abend das kalte Tal bei Elmau. Ich hatte ein uraltes Projekt endlich abgehakt und ein unvergesslicher Tag wird mir für immer in Erinnerung bleiben. Bleibt nur noch mein Respekt vor Georg Leuchs zum Ausdruck zu bringen. Der beging den komplizierten Kopftörlgrat im Jahr 1900 solo als erster Mensch.

Mehr über Georg Leuchs, den ehemaligen 1. Vorsitzenden der Sektion München

Anmerkung: die Straße zur Wochenbrunner Alm auf ca. 1000 Hm ist aktuell wg. Bauarbeiten gesperrt, das Auto muss also im Tal geparkt werden.

Sonnenaufgang über dem Zentralalpenkamm
Gemsen, die es im Wilden Kaiser zu Hauf gibt
Die Hälfte des Kopftörlgrates ist meist wegloses, teils ausgesetztes Schrofengelände
Klettern im ungesicherten 3. Grad im hochalpinen Gelände erfordert Gelassenheit und Routine
Eine freche Dohle bettelte uns an einem Rastplatz in der Tour penetrant liebevoll an
Tiefblick ins Kar auf der Nordseite, im linken oberen Bildrand ist die „Strips“ zu erkennen
Die Totenkirchl Westwand erkletterte ich 25 Jahre zuvor auf der Dülferführe (7-), im Hintergrund lugt der Chiemsee hervor. Dülfer bewältigte die Erstbegehung im Jahr 1913 solo und kletterte die 7- Schlüsselstelle vermutlich Rotpunkt!
Blick nach Süden auf den Alpenhauptkamm, weit unten die (geschlossene) Gruttenhütte, auf dessen Terasse wir biwakiert hatten

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