Aug. 11
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Cartoon: Eberhard "Erbse" Köpf
Heldenstatus und Suchtfaktor
Klettern hat einen starken Suchtfaktor. Dass Sport auch zur Sucht werden kann, ist für andere Sportarten bereits erwiesen. Am Beginn einer Kletterkarriere ergibt sich die Leistungssteigerung wie von selbst. Die Glücksgefühle, die sich bei jedem schnellen Erfolg aufs Neue einstellen, gleichen dem „Kick“ des Drogenabhängigen. Aber wehe die Anfangserfolge verflachen, und nach den „Freuden der Höhen“ kommen die „Mühen der Täler“. Dann werden immer absurdere Methoden ausprobiert, um eine Leistungssteigerung ohne großen Aufwand zu erzwingen. Eine harte Zigarette und drei Espresso vor dem entscheidenden Go im Projekt, oder der große Baumeister wird um Beistand angerufen. Methoden, die man belächeln kann und die außer einem Placeboeffekt wahrscheinlich wenig bewirken. Schädlich und gar nicht lustig sind Methoden, die das Lebensglück aufs Spiel setzen. Im Falle der Anorexia athletica wird dieKletterleistung mit einer Schädigung der eigenen Gesundheit erkauft. Andere Kletterer vernachlässigen zugunsten des Kletterns alle anderen Interessen und schließlich jegliche geregelte Lebensführung. Ein möglicher Grund für diese Auswüchse ist die schwindende Motivation, wenn man beginnt sich an der Leistungsschwelle mit anderen „besseren“ Kletterern zu vergleichen. Bei der Erkenntnis, dass man kein Held und keine Heldin, sondern nur ein ganz normaler Mensch ist, wird man schlagartig nüchtern. Zugleich nimmt der Drang nach dem „nächsten Schuß“ (= dem nächsten schweren Projekt) zu, um den „Heldenstatus“ wiederherzustellen. Ein Treufelskreislauf ist im Gang, und die Klügeren kommen relativ schnell dahinter, dass beim „Wie mache ich es“ in ihrem Klettersport der Wurm drin ist. Das führt in der Regel zur Frage nach der Motivation, und manche Spitzenkletterer haben erst einmal ein paar Monate/Jahre mit dem Klettern ausgesetzt, sind ins Kloster gegangen, haben eine Weltreise gemacht, Kinder gezeugt, o.ä. … einige sind nach dieser Pause zurückgekommen … und waren so stark wie nie zuvor :).