Klettern in Istrien im Juni?

Aussichtsloser Versuch in Medveja eine 7b+ bei 32° niederzuringen

1989 bin ich in Paclenica zum ersten Mal in Kroatien geklettert. Seitdem war ich öfters in Kroatien, zuletzt habe ich 2009 auf der Insel Hvar kroatischen Fels in der Hand gehabt. An der Ostküste Istriens, gegenüber von Rijeka, liegt eine Topdestination.

Die bis zu 45m hohen Felsen von Medveja hängen stellenweise 45° über

Einige 100 Meter über der Bucht von Medveja, bieten mehrere imposante und mit Tufa bestückte Wände eine relativ hohe Dichte an hervorragenden, schweren und schwersten Routen.

Der Zustieg zu den Felsen erfolgt von oben (natürlich am frühen Morgen, wenn es noch schattig und rel. kühl ist)

Mit „More“ kann Medveja sogar mit der ersten 9a Kroatiens aufwarten. Selbst Adam Ondra, der Sportklettermeister himself, hat Medveja schon 2016 einen Besuch abgestattet und das Gebiet für lohnenswert befunden (nachdem er „More“ abgehakt hatte😊).

Auch Lukas Bolesch ließ sich in Medveja von den hohen Temperaturen nicht abschrecken

Wer auf 8a.nu nachsieht wird feststellen, dass 90 % der Begehungen in Medveja nicht im Sommer sondern zumeist in der kalten Jahreszeit gemacht werden. Eigentlich ist es deshalb nicht wirklich sinnvoll im Juni dort einzuchecken… Aber in den 2010er Jahren habe ich bereits vier wunderschöne Kletterurlaube auf der griechischen Insel Kalymnos im Hochsommer verbracht, mit Hitze komme ich ganz gut zurecht. So wagte ich in diesem Juni einen zweiwöchigen Trip nach Medveja während der Pfingstferien.

Silja Schabert über der Bucht von Medveja

Zusammenfassend: es hat sich gelohnt, obwohl die für mich schweren Routen (erwartungsgemäß) nicht zur Debatte standen. Aber ein Topgebiet für zwei Wochen nur für sich alleine zur Verfügung zu haben? Das gibts nicht alle Tage, ausser du bist antizyklisch unterwegs, was übrigens ein Lebensprinzip von mir ist.

Analmario, 7a onsight bei (fast) tropischen Temperaturen

Davon abgesehen ist Istrien reich an Geschichte. Es gibt eine Menge zu besichtigen und zu bestauenen. Von den Überresten aus der Römerzeit, über Zeugnisse aus dem goldenen venezianischen Zeitalter (ca. 1290-1790) und Küstenstädtchen mit dem morbiden Charme der österreichischen K&K Gründerzeit (ca. 1790-1918) bis zur erfolgreichen Widerstandsgeschichte der Partisanen gegen den Terror Nazideutschlands in den 1940er Jahren ist eine Menge geboten. Istrien ist somit ein Art kleiner Schmelztiegel, der mittel- und südosteuropäische Einflüße und Geschichte vom Altertum bis zur Moderne verbindet.

Das Denkmal für die im Kampf gestorbenen antifaschistischen Partisanen von Lovran, dem Nachbarort von Medveja

Nachdem sich Kroatien in den 1990er Jahren vom serbischen Joch befreien konnte, ist es heute Teil der modernen, europäischen Demokratien in der EU. Das ist deutlich wahrzunehmen (z.B. halten sich viele Verkehrsteilnehmende vorbildlich an die Verkehrsregeln). Der Zustand von vor den antiserbischen Befreiungskriegen verglichen mit dem heutigen Kroatien spiegelt einen enormen Entwicklungssprung wieder. Ich habe dort in den 1980er Jahren noch Dörfer ohne Strom- und Wasseranschluss, sowie mit lehmgestampften Hauptplätzen incl. mittelalterlichem Ziehbrunnen gesehen, wo als einziges Transportmittel Esel genutzt wurden. Das heutige Kroatien dagegen ist ein pulsierendes, modernes, frisches Land im Herzen des freien Europas. Für kulturell und geschichtlich Interessierte ist die große Halbinsel am nordöstlichen Ende der Adria also immer einen Besuch wert, abgesehen von den vielfältigen Klettergebieten natürlich ;).

Das auf einem Berg trohnende, mittelalterliche, venezianische Örtchen Motovan erinnert mit seinen verwinkelten Gässchen und Durchgängen an die Zeiten als Istrien italienisch geprägt war.
Die kroatische Adria ist mit zahlreichen romantischen Buchten bestückt
Badefreuden im lauwarmen Wasser der Kvarner Bucht ( so heißt die große Bucht zwischen Rijeka und Medveja)
Eine Variante der sog. Froschtechnik kommt nicht nur am Fels zum Einsatz

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