Zwischen Schubladendenken und Hellseherei

In den letzten 7 Jahren habe ich ca. 400 Menschen in Kletterkursen und -trainings begleitet. Die meisten davon Kinder/Jugendliche aber auch nicht wenige Erwachsene. Viele tausend Trainingsstunden habe ich in den letzten Jahren gegeben. Nach ein paar Jahren fielen mir zunehmend einzelne ähnliche Klettertypen unter den zu Trainierenden auf (z.B. Eindrehtyp). Ein Typ ist durch besondere Auffälligkeiten geprägt, die sein Klettern zum Guten wie zum Schlechten prägen.  Als ich mich mit den Klettertypen intensiver befasste, stellte ich fest, dass diese „Typen“ oft auch andere Ähnlichkeiten aufwiesen (z.B. Eingangssportarten, Bewegungsstil, Kraftniveau, Morphologie etc.), manche sogar z.B. beruflich ähnlich aufgestellt waren, mit der allentscheidenden Sicherheitstechnik ähnlich umgingen etc.  Ich entdeckte weitere Kennzeichen von Klettertypen und begann die Typen genauer zu analysieren. Ich lernte in fast unveränderbare (z.B. morphologische) und veränderbare (z.B. Techniken) Fakten, die einen Klettertypen kennzeichnen, zu unterscheiden.Viel Mühe gab ich mir bei der Ursachenforschung, die einen Klettertyp bedingt. Dabei halfen mir besonders Techniken des Coaching, die ich in meiner B-Trainerausbildung 2006 gelernt hatte. Insbesondere bei der Ursachenforschung kam ich auf immer detailliertere Zusammenhänge, warum ein Kletterer bestimmte Typmerkmale erfüllt und wie diese möglichst schnell (innerhalb von Minuten) möglichst eindeutig zu ermitteln sind. Ich begann mir zunehmend einen (heimlichen) Spaß daraus zu machen, die „Trainingsinteressenten“ schon beim ersten Gespräch am Telefon (ohne diese zu sehen) oder beim ersten Kontakt im Klettergarten (ohne diese je beim Klettern beobachtet zu haben) einem bestimmten Klettertyp probeweise zuzuordnen. Ich war sehr erstaunt, wie oft ich richtig lag. Ich erkannte, dass sich bestimmte Klettertypen eher gegenüberstehen und damit ergänzen. Andere Typen sind nah beisammen und weisen fließende Übergänge auf. Ich entdeckte mit der Zeit zunehmend, worin die jeweiligen Schwächen und Stärken (z.B. Taktik, Psyche, Kondition etc.) der unterschiedlichen Typen lagen und woran die jeweiligen Typen arbeiten könnten um sich zu verbessern (natürlich abhängig von ihrer Zielvorstellung).

Bisweilen wiesen die Kletterer, die ich kennenlernte ein oder mehrere Auffälligkeiten auf, die aus ihrem Typmuster ausscherten. Da ich ein sehr wissensdurstiger Mensch bin, befasste ich mich bevorzugt mit Auffälligkeiten die ich nicht zuordnen konnte. Dabei kam ich zu meiner Überraschung auf Folgendes:

  1. Ich entdeckte einen sog. „versteckten“ Mangel bei dem Kletterer. Der versteckte Mangel konnte ein Hinweis sein, wo am effektivsten angesetzt werden kann.
  2. Ich entdeckte einen Mangel in meinem Wissensschatz, der mich in meiner Typanalyse und zugleich auch in meinem Wissen zu meinem eigenen Klettern weiterbrachte.

Die Reaktionen, die ich auf meine Typanalysen bisher erfahren habe, lassen sich zwischen Ablehnung („Schubladendenken, du bist nicht mehr offen“) und Überhöhung („Hellseherei, wie konntest du das wissen?“) einordnen.

Meine Ansicht ist, dass ich mich ziemlich in der Mitte zwischen diesen beiden Polen bewege. Mittels Erfahrungen und selbstkritischer Reflektion habe ich eine nützliche Methodik entwickelt, um mich und andere systematisch erfolgreich zu trainieren.

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