Neulich in Berchtesgaden (eine wahre Geschichte)

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Klettern im knüppelharten Karlstein bei Bad Reichenhall/Berchtesgadener Land – hier sind die Huber-Buam groß geworden.

Mitte Dezember leitete ich zusammen mit Andi Hofmann einen Lehrgang 1 Trainer C Breitenbergsport in Berchtesgaden. Eine nette, homogene Gruppe arbeitete 7 Tage an Sicherungsthemen, Methodik, Technik, Trainingsübungen etc. pp. und machte sich mit den Anforderungen, die ein Trainer C beherrschen sollte vertraut. Klar, das Sicherungsthema stand an erster Stelle.

„De Berchtsgadner san scho Hund, de scheissn se vor nix“ – wie man in der bayerischen Kletterszene umgangssprachlich zu sagen pflegt. Wir konnten viele Kletterer dabei beobachten, wie man ganz und gar nicht sichern sollte. Auch so „berühmt-berüchtigte“ Kletterer wie Ines P. oder Thomas H. tummelten sich in der Halle und bei der Beobachtung ihres Kletter- und Sicherungsverhaltens, wurden damit die Lehrinhalte Aufmerksamkeit, Technikanalyse und Fehlerwahrnehmung erfolgreich in der Praxis integriert. Selbstverständlich stellte sich auch die Frage, wie sagt man es jemandem, wenn man dessen Sicherungsverhalten als offensichtlich „sehr kritisch“ wahrnimmt, bzw. wie schreitet man in einem solchen Fall effektiv und ohne Abwehrverhalten zu provozieren, ein?

Am 6. Tag des Lehrganges ergab sich für mich eine Gelegenheit dies vorbildlich zu demonstrieren: ein Vater sicherte seine etwa 10 jährige Tochter mit der brandgefährlichen Kombi „(Auto-)Tuber + alte HMS-Handstellung“ (=Bremshand oben). Die ganze Ausbildungsgruppe konnte von der Cafe- Empore meinen „glorreichen“ Einsatz beobachten. Als erstes nahm ich das Sicherungsseil des Mannes, so dass dieses nicht mehr unkontrolliert durch den Tuber rutschen konnte. Dann erklärte ich dem Mann betont freundlich, dass er sich ruhig weiter auf seine Tochter konzentrieren möge, ich würde mich nach dem Klettern gerne mit ihm über seine Bremshandhaltung unterhalten.

Dann gab ich meiner ehrlichen Freude Ausdruck, wie toll die Kleine doch schon klettert. Kurze Zeit später liess er seine Tochter ab. Das Ablassen war spannend zu beobachten, aber ich hatte das Seil ja unter Kontrolle, konnte also nichts passieren. Als seine Tochter am Boden wohlbehalten eingetroffen war, entspann sich folgender Dialog (N=Nils/U=der Unbekannte):

N: Seit wann sicherst du denn mit dem Gerät?

U: Noch gar nicht so lange.

N: Weisst du, dass das Gerät nicht funktioniert, wenn die Bremshand oben ist?

U: (schaut mich etwas unsicher an) Wie macht man es denn richtig?

N: (zeige ihm kurz, dass man die Hand immer unten haben muß und erkläre dazu) Das sollte man sich von einem Profi zeigen lassen. Am Besten man macht dazu einen Kurs, dann kann man es auch gleich unter Anleitung üben und bekommt Routine mit dem Handling, dann ist man sich auch ganz sicher, dass dem Nachwuchs nichts passieren kann (deute dabei auf seine Kleine, er nickt). Hast du denn schon mal einen Kurs gemacht?

U: Ja, klar.

N: Wie lang ist das denn her?

U: 2 1/2 Jahre.

N: Wie lange dauerte denn der Kurs?

U: Das weiss ich nicht mehr.

N: Warst du seitdem klettern?

U: Eigentlich kaum.

N: Welches Sicherungsgerät hast du denn damals gelernt?

U: (tut sich schwer mit der Benennung, versucht mit den Händen etwas zu demonstrieren) Das mit dem Seilknoten… (schaut mich etws hilflos an)

N: Meinst du den HMS-Knoten?

U: (sehr erleichtert) Ja genau den!

N: Ah, drum hattest du auch die Bremshand oben (zeige meine Freude über des „Rätsels“ Lösung, auch der Unbekannte freut sich). Weißt du, es gibt ca. 50 Sicherungsgeräte auf dem Markt, davon werden 49 mit Bremshand unten bedient, nur beim HMS kann man die Hand auch oben halten. Das ist in deinem Fall natürlich fatal. Es gibt auch einige Unfälle beim Umstieg von HMS auf ein anderes Sicherungsgerät aus genau diesem Grund.

U: Ah, das wußte ich nicht. Ist das Sicherungsgerät denn sicher (deutet auf den Autotuber, einen Megajul)?

N: Klar ist das Gerät sicher, nur du solltest einen Kurs machen, da lernst du es.

U: Den mach ich dann bei dem da (deutet auf den bekannten Thomas H.), den kenn ich.

N: Hmm, ob der das jetzt alles so richtig gut vermitteln kann?

U: Wenn nicht der, wer denn dann? (Es folgt ein kurzes Gespräch über Trainer, über Risiken beim alpinen Extremklettern und in der Halle etc. pp,  ich empfehle ihm einen Kurs beim DAV Berchtesgaden zu machen. Verabschiedung, er bedankt sich sehr aufrichtig dafür, dass ich mir die Zeit für ihn genommen habe und beteuerte, dass er sich sofort zum Kurs anmelden werde – erfolgreiches Ende meines Einsatzes).

 

Dass meine Zweifel bzgl. des Thomas H. nicht ganz unberechtigt waren, zeigte sich direkt im Anschluss: Kaum war ich wieder oben auf der Cafeteria-Empore, kam einer meiner Auszubildenden feixend auf mich zu:

S: Du musst gleich wieder runter, meint er, du solltest dem Herrn dort sagen (zeigt auf besagten Thomas H., der gerade in der Wand klettert) dass das SO NICHT geht.

Der klettert gerade etwas unterhalb des Umlenkers, also ziemlich weit oben in der Wand . Blitzschnell erfasse ich, dass er unter sich Exen nicht geclippt hat. Mich interessiert wie viele Exen er wirklich ausgelassen hat. Die untere Hälfte der Wand wird jedoch von der Empore verdeckt. Deshalb trete ich ein paar Schritte nach vorne um Einblick in den unteren Wandteil zu bekommen. Ich kann es kaum fassen: die unteren Exen sind auch nicht geklippt und … wo ist eigentlich der Sicherungspartner?!?

Jetzt ist mein Kollege Andi an der Reihe und trabt los… Kurz darauf erscheint Thomas H. etwas zerknirscht bei der Ausbildungsgruppe und richtet das Wort an uns: Also ich will das hier nur noch mal klarstellen. So wie ich das Topropeseil da gerade eingehängt habe (zeigt zur Wand rüber), macht man das natürlich nicht. Wir brechen alle in schallendes Gelächter aus, der Herr H. stimmt mit ein – gelöste Atmosphäre. San hoid scho Hund, de Berchtsgadner.

 

 

 

 

 

 

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