Elnaz Rekabi und ihr Mut zur Freiheit

Ich habe die iranische Wettkampfklettererin Elnaz in den letzten Jahren schon öfters beobachtet auf internationalen Kletterwettkämpfen. Bei ihrem Training in der Boulderhalle und bei anderen Kletterveranstaltungen ist sie mir als eine entschlossene Kletterin aufgefallen. Sie ist in der internationalen Kletterszene bekannt, denn sie tritt seit 15 Jahren auf internationalen Kletterwettkämpfen an. Ich kenne ein paar Kletterer, die im Iran zu Besuch waren. Sie berichteten nach ihrer Rückkehr von einer lebendigen Kletterszene ähnlich wie in westlichen Ländern. In einigen großen iranischen Städten gibt es Kletterhallen. Auch nationale Kletterwettkämpfe werden regelmäßig abgehalten.

Der Film „Climbing Iran“ mit Nasim Eshqi gibt ein Bild von der lebendigen Kletterszene im Iran

In dieser Szene ist Elnaz groß geworden. Sie klettert schon ca. 20 Jahre und sie klettert gut. Bei den Asienmeisterschaften Lead hat sie vor ein paar Tagen den 4. Platz gemacht. Was sie dort auch gemacht hat: Sie ist als zweite iranische Sportlerin ohne das vom iranischen Regime vorgeschriebene Kopftuch (Hijab) angetreten und hat damit die Vorschriften des klerikalen Mullahregimes offen ignoriert. Brisant ist Elnaz‘ Selbstbewußtsein auch deshalb, weil im Iran täglich 1000de von Frauen gegen den Kopftuchzwang protestieren.

Für ihren Mut wird Elnaz seitdem nicht nur in der internationalen Kletterszene gefeiert. Was vielen Elnaz-Fans bis gestern Abend jedoch nicht bewußt war: sie ist damit in höchster Gefahr. Das iranische Regime ist ein mörderisches Regime. Letztes Jahr hat es einen berühmten Iranischen Sportler zu Tode gefoltert und dann überraschend seine Hinrichtung verkündet. Der Iran hat ausserdem zusammen mit dem kriegslüsternen Russland mittels importierter Söldner in den letzten 10 Jahren 100.000de Menschen in Syrien abschlachten lassen. Ausserdem werden im Iran grausame Urteile von den dortigen Richtern ausgesprochen. Das theokratisch-inquisitorische Regime weist z.B. weltweit die höchste staatlich legitimierte Tötungsrate auf. Ein weiteres aussagekräftiges Beispiel: während bei uns alljährlich 100.000de teilweise mit offiziellen Weihen den Christopher Streep Day feiern, werden dagegen im Iran Menschen für ihre gleichgeschlechtliche Neigung gemäß richterlichem Urteil erhängt. Darüber hinaus ist der Iran für sein zutiefst korruptes Herrschaftssystem bekannt. Wer im Iran in die Fänge der „Polizei“ gerät, ist alles andere als sicher. So verstarb die 22 jährige Kurdin Jina (Mahsa) Amini vor einem Monat in der „Polizei“haft, nachdem sie kurz zuvor festgenommen worden war. Grund der Festnahme: der Hijab bedeckte angeblich nicht vorschriftsgemäß ihre Haare.

Seit dem Tod von Jina Amini protestieren im ganzen Iran 1000de von Frauen gegen den Kopftuchzwang. Gestern brach ein Aufstand im berüchtigten Teheraner Ewin-Gefängnis aus. Dort sind 1000de Oppositionelle eingesperrt, darunter auch 100te die kürzlich auf den Straßen Teherans protestierten. Mindesten 8 Gefangene starben bisher offiziell bei dem Aufstand im Ewin-Gefängnis, als das Regime Schusswaffen gegen die aufständischen Gefangenen einsetzte. Unbestätigten Berichten zufolge sollen jedoch dutzende Gefangene erschossen worden sein.

Daud Rekabi

Die ebenfalls bekannte iranische Kletterin Nasim Eshqi ist inzwischen in den Westen geflohen. Schon hat ein weiterer iranischer Sportler „Flagge gezeigt“. Bei den Weltmeisterschaften im Armdrücken hat sich der iranische Vertreter offen neben der Flagge Israels aufgestellt, was im Iran der Mullahs als Kapitalverbrechen behandelt wird.

Gestern wurde Daud Rekabi, der Bruder von Elnaz, der auch iranischer Klettermeister ist, in Teheran vom berüchtigten Geheimdienst IRGC verhaftet, besser: gekidnapt, denn Daud ist seitdem verschwunden. Auch Elnaz ist seit gestern verschwunden, sie sollte sich eigentlich zusammen mit dem iranischen Kletterteam auf dem Rückflug von den Asian Championships in Seoul nach Teheran befinden. Es könnte sein, dass die entschlossene Elnaz nicht die Flucht in den Westen antreten, sondern nach Teheran zurückkehren wird. Dann wird sie unser aller Unterstützung benötigen.

Elnaz auf den Adidas Rockstars in Stuttgart 2018

Letzte Meldung: Elnaz wurde in den Iran entführt, ihr Handy beschlagnahmt. Soeben kommt eine höchst ungewöhnliche Erklärung auf ihrem Instaaccount (via ihrem Handy, das ihr der Geheimdienst abgenommen hat): sie bereut alles… und das in der Welt von 2022!

Meldung 20. Oktober, etwas zu den Hintergründen wie es mit Elnaz nach ihrer Ankunft weiterging:

Links mit Hoody + Schirmmütze Elnaz, rechts im gelben Longsleeve ihr Bruder Daud

*Korrektur: ursprünglich hatte ich geschrieben, dass Elnaz die erste Sportlerin sei, die das Kopftuch bei einem internationalen Wettkampf abgenommen hat. Das ist nicht richtig. Am Tag zuvor hat eine iranische Boxerin das Kopftuch auf einem internationalen Wettkampf abgenommen. Sie reiste danach nicht mehr zurück in den Iran.

Die schlimmen Gerüchten bestätigen sich leider(Spiegel 22.10.2022). Elnaz wurde entführt, gefangen gehalten, erpresst und zu einer Erklärung gezwungen – alle diese Gerüchte waren bis zum dritten Tag nach dem Wettkampf im Umlauf. Das Mullah-Regime twitterte dazu Fake, Fake, Fake – aber sie waren eben kein Fake, sondern die iranische Theokratur hat mit Elnaz das gemacht, was sie sonst in solchen Fällen eben auch immer macht:

https://www.spiegel.de/sport/iranische-kletterin-elnaz-rekabi-steht-offenbar-unter-hausarrest-a-da8b38e7-77ee-44d1-b038-715b349ea53a

Der Bin-Weg-Bouldern Podcast hat dazu ein interessantes Interview mit iranischen Boulderern gemacht.

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